Wie sieht eine nachhaltige Agrarpolitik aus? Wie sieht eine nachhaltige Agrarpolitik aus?

Die Zukunft der Landwirtschaft und der Ernährungssicherheit in der Schweiz wird zurzeit heiss diskutiert. Mit der „Gesamtschau zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik“ will der Bundesrat dieser nun eine neue Ausgangslage bereiten.

Auf die Agrarpolitik 2014-17, welche sich stark auf die Verteilung der mehr als drei Milliarden Franken Direktzahlungen fokussierte, folgt jetzt die Zwischenetappe 2018 bis 2021. Im Anschluss kommt die Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) ins Spiel. Deren Ziele sind, die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft zu verbessern und die Wertschöpfung zu steigern. Ausserdem soll die Nachhaltigkeit ins Zentrum rücken.

Marktwirtschaftlichere Landwirtschaft und bessere globale Vernetzung

Anfang dieses Monats verabschiedete der Bundesrat dazu die „Gesamtschau zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik“. Für die AP22+ sieht der Bundesrat zwei Komponenten vor. In der Land- und Ernährungswirtschaft sollen neue Perspektiven in den Bereichen Markt, Betrieb und natürlichen Ressourcen gesetzt werden. Einen wichtigen Anteil hat hierbei der technische Fortschritt, der mit der Digitalisierung an Einfluss gewinnt. In- und ausländische Agrarmärkte sollen im Rahmen von Handelsabkommen besser vernetzt werden. Denn rund 40-50 Prozent des inländischen Nahrungsmittelbedarfs wird in die Schweiz importiert. Deshalb nimmt die Vernetzung mit den ausländischen Märkten gemäss Schweizer Regierung eine prioritäre Stellung für die Ernährungssicherheit ein.

Der Bundesrat ist überzeugt, dass ein partieller Abbau des Grenzschutzes volkwirtschaftlich vorteilhaft und – begleitet mit geeigneten Unterstützungsmassnahmen – für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft bewältigbar ist.

Medienmittelung des BLW

Die Liberalisierung bringt jedoch alles andere als eine nachhaltige Landwirtschaft mit sich. So laufen die bäuerlichen Strukturen Gefahr, nach und nach den Folgen von Handelsabkommen mit beispielsweise den Mercosur-Staaten zum Opfer zu fallen. Diese produzieren überwiegend intensiv und umweltschädlich. Hierzulande bedeutete dies Rationalisierung und Zusammenlegung von Strukturen für die bereits angeschlagenen Betriebe, um günstiger produzieren zu können. Familienbetriebe in der Landwirtschaft wären dadurch stark bedroht.

Die Mitgliedsstaaten von Mercosur (spanische Abkürzung für „Gemeinsamen Markt Südamerikas“) sind Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Mercosur ist ein Bündnis von südamerikanischen Agrargrossmächten. Im Falle eines Freihandelsabkommens der Schweiz mit den Mercosur-Staaten rechnet die Schweizer Landwirtschaft mit hohen Einkommenseinbussen.

Die Umweltanliegen finden sich, trotz der Betonung der Nachhaltigkeit in der Gesamtschau, immer noch weit vom versprochenen Zentrum entfernt. Die Umsetzung des Aktionsplans Pflanzenschutz und weitere Umweltanliegen finden zwar ihren Platz, aber in einem sehr überschaubaren Mass. Landwirtschaftsexperte Marcel Liner meint ausserdem, dass sich die Massnahmen aufgrund fehlender Kontrollmechanismen schwer umsetzen lassen.

«Gesetze und Verordnungen, deren Einhaltung nicht kontrolliert werden, machen wenig Sinn»

Marcel Liner, Pro Natura, Verantwortlicher Landwirtschaftspolitik

Marcel Liner plädiert unter Berücksichtigung der erhöhten Futtermittel-Importe aufgrund des heisseren Sommerklimas für ein eine Reduktion bei den Kuh-Beständen. Damit einher gingen Pestizidreduktion, Biodiversitätsförderung und Kulturlandschutz.

Von Freihandelsabkommen und Agrarprotektionismus

economiesuisse sieht in diesen Ansätzen „einen ersten Schritt in die richtige Richtung“. Sie fordert bereits weitere Öffnungsschritte. Denn die Schweiz habe einen der am stärksten abgeschotteten Agrarmärkte der Welt und entsprechend hohe Lebensmittelpreise. Als erfolgreiche Beispiele der Liberalisierung nennt Economiesuisse Käse und Wein. So weist sie auf die um 28% angestiegenen Exportraten beim Käse seit der Liberalisierung von 2002 hin.

Im Rahmen der AP22+ schlägt economiesuisse eine Vereinfachung des Subventionssystems vor. So soll das Direktzahlungssystem auf vier Massnahmenbündel reduziert und vereinfacht werden.

Der Schweizer Bauernverband (SBV) begrüsst die Beibehaltung des vierjährige Rahmenkredits über 13'915 Millionen Franken. In seiner Medienmitteilung zur Verabschiedung der Botschaft zur Weiterentwicklung der AP22+ findet der SBV jedoch verhaltene Worte:

Dem Schweizer Bauernverband gelingt es nicht, in der heute vom Bundesrat verabschiedeten Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik einen konkreten Mehrwert zu erkennen, der erneute Anpassungen auf Gesetzesebene rechtfertigen würde.

Medienmitteilung des SBV

Der SBV kritisiert auch die geplanten erneuten Änderungen bei den Direktzahlungen, denn die Branche sei aufgrund Bindung in jahrzehntelange Investitionen auf stabile Rahmenbedingungen im Direktzahlungssystem angewiesen.

Der SBV hat angekündet, die Vorlage ausgiebig unter die Lupe zu nehmen und Anpassungsvorschläge zu Gunsten der Zukunftsperspektiven der bäuerlichen Familienbetriebe anbringen. Die Umweltverbände und die Grünen Schweiz setzen sich für griffigere Massnahmen bei der Stärkung vom Biolandbausystem, klaren Bestimmungen zur Senkung von Pestizid- und Stickstoffbelastung sowie der nachhaltigen Wertschöpfungskette ein. Eine wegweisende Entscheidung um die Zukunft der Schweizer Agrarpolitik lässt deshalb weiterhin auf sich warten. Parallel zur AP22+ kommen die Volksinitiativen „Sauberes Wasser für alle“ und „Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide“ nächstens an die Urne. Auch die Bevölkerung hat also noch ein wichtiges Wort mitzureden.

Quellen und weitere Informationen:
Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
Medienmitteilung  Schweizer BauernverbandGrüne SchweizSVP Schweiz und economiesuisse,
Interview mit Marcel Liner

Kommentar schreiben

Die Kommentare werden vor dem Aufschalten von unseren Administratoren geprüft. Es kann deshalb zu Verzögerungen kommen. Die Aufschaltung kann nach nachstehenden Kriterien auch verweigert werden:

Ehrverletzung/Beleidigung: Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehören die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken ebenso wie persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer.

Rassismus/Sexismus: Es ist nicht erlaubt, Inhalte zu verbreiten, die unter die Schweizerische Rassismusstrafnorm fallen und Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Kultur oder Geschlecht herabsetzen oder zu Hass aufrufen. Diskriminierende Äusserungen werden nicht publiziert.
Verleumdung: Wir dulden keine Verleumdungen gegen einzelne Personen oder Unternehmen.

Vulgarität: Wir publizieren keine Kommentare, die Fluchwörter enthalten oder vulgär sind.

Werbung: Eigenwerbung, Reklame für kommerzielle Produkte oder politische Propaganda haben keinen Platz in Onlinekommentaren.

Logo von umweltnetz-schweiz

umweltnetz-schweiz.ch

Forum für umweltbewusste Menschen

Informationen aus den Bereichen Umwelt, Natur, Ökologie, Energie, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

Das wirkungsvolle Umweltportal.

Redaktion

Stiftung Umweltinformation Schweiz
Eichwaldstrasse 35
6005 Luzern
Telefon 041 240 57 57
E-Mail redaktion@umweltnetz-schweiz.ch

Social Media

×

Newsletter Anmeldung

Bleiben Sie auf dem neusten Stand und melden Sie sich bei unserem Newsletter an.