Unter anderem in Zürich will man verdichtet bauen und das Zentrum erneuern, stösst dabei aber auf den Ortsbildschutz. Unter anderem in Zürich will man verdichtet bauen und das Zentrum erneuern, stösst dabei aber auf den Ortsbildschutz.

Bei der Frage, wie die Kernzonen der Dörfer und Städte in der Schweiz gestaltet werden sollen, treffen verschiedene Interessen aufeinander. Soll man die oftmals alten Ortsbilder schützen oder sie nach innen verdichten?

 

Architektur ist ein wichtiger Teil der kulturellen Identität eines Staates. Schweizer identifizieren sich durch mittelalterliche Altstädte, Denkmäler und Natur. Besonders wegen der unkontrollierten Siedlungsentwicklung und Zersiedelung im letzten Jahrhundert wurde der Begriff einer Baukultur immer bedeutender. In den 70er-Jahren entstand deshalb das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz, kurz ISOS. 2017 wurde es revidiert und enthält heute 1274 Objekte aus der ganzen Schweiz. Im Inventar sind die als schützenswert beurteilten Ortsbilder beschrieben und deren konkreten Erhaltungsziele dargelegt. Das Inventar stützt sich auf das Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG):

„[Der Bund] schont Landschaften, Ortsbilder, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler; er erhält sie ungeschmälert, wenn das öffentliche Interesse es gebietet.“
- NHG; SR 451

Per Gesetz müssen inventarisierte Gebiete erhalten werden, weil sie von nationaler Bedeutung sind. Bund, Kantone und Gemeinden sind verpflichtet, das ISOS zu berücksichtigen. Es dient als Grundlage für die Raumplanung in Siedlungsgebieten.

Konflikte mit dem ISOS

Bei Bauvorhaben findet immer eine Interessenabwägung statt: Nur wenn dem Interesse des Schutzes des Ortsbildes ein gleichwertiges oder höheres Interesse entgegensteht oder bei einem nur geringen Eingriff, kann eine Veränderung des Inventarobjekts in Betracht gezogen werden. In vielen Fällen führt das jedoch zu Interessenkonflikten: Das 2012 revidierte Raumplanungsgesetz schreibt vor, dass sich die Schweizer Siedlungen nach innen entwickeln müssen. Damit soll die umgebende Landschaft geschützt und das Bauen ausserhalb der Bauzonen erschwert bzw. verhindert werden. Die wachsende Bevölkerung soll in Zukunft, besonders in grossen Städten, mittels verdichteten Bauens aufgenommen werden. Häufig geht es auch um die Erneuerung und Wiederbelebung von Kernzonen. Dabei ist jedoch immer das ISOS zu berücksichtigen. Liegt das Bauvorhaben in einem ISOS-Gebiet, kann es gegebenenfalls nicht umgesetzt werden.

Ein solcher Fall ereignete sich in Sarnen: Die Obwaldner Kantonalbank plante die Erneuerung ihres Hauptsitzgebäudes. Die ersten Baupläne von 2006 wurden von der Gemeinde und dem Regierungsrat gutgeheissen. Eine Einsprache kritisierte allerdings, dass für den Bau der Tiefgarage ein Teil der historischen Mauern im Dorfzentrum ab- und wieder aufgebaut werden müsste. Der Ortskern von Sarnen ist Teil des Bundesinventars ISOS, was in den Bauplänen allerdings nicht berücksichtigt und erst durch ein Gutachten auf Anforderung des Verwaltungsgerichts klar wurde. Das geplante Gebäude fügte sich ausserdem nicht in das schützenswerte Ortsbild ein. Folglich musste die Baubewilligung aufgehoben und das Projekt begraben werden.

Was getan werden kann

In Fällen, in denen ein Baugesuch im Bewilligungsverfahren mit ISOS in Konflikt steht, können die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) und die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EDK) Hilfestellung geben. Auf Grundlage ihrer Gutachten kann abgewogen werden, welche Interessen stärker zu gewichten sind und ob das Bauprojekt im vorgesehenen Gebiet überhaupt möglich ist. Häufig wird der Fehler begangen, dass die Eidgenössischen Kommissionen im Bewilligungsverfahren zu spät miteinbezogen werden. Es spart viel Zeit und Aufwand, wenn die Bauherren bereits zu Beginn abklären, ob ihr Projekt mit ISOS verträglich ist.

Energiestrategie 2050 und ISOS?

Das revidierte Energiegesetz, das Anfang 2018 in Kraft trat, schreibt klar vor, dass die Schweiz in Zukunft auf erneuerbare Energien setzen muss. Die energetische Sanierung von Gebäuden liegt, wie der Ortsbildschutz, in nationalem Interesse. Wenn auf Denkmälern und Gebieten des ISOS erneuerbare Energiegewinnungsanlagen zur Wind- und Solarstromerzeugung gebaut werden sollen, müssen die Interessen abgewogen werden: Die Anlagen dürfen schützenswerte Gebäude nicht zu stark beeinträchtigen. Insbesondere Photovoltaikanlagen sind ein Problem, weil die Dächer einer Gebäudegruppe das Ortsbild entscheidend beeinflussen. Es gibt dennoch Lösungen, wie die Denkmalpflege und die Energiestrategie vereinbart werden können. Können Solarzellen nicht in einem ISOS-Gebiet installiert werden, so gibt es genügend Potenzial in Industriegebieten. Dächer grosser Fabrikgebäude könnten vollständig mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet werden. Es stellt sich für die Zukunft aber die grundsätzliche Frage, was wir stärker bewerten – das Ortsbild oder nachhaltige Energie auch in Kernzonen?

 

Quellen und weitere Informationen:
Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder (ISOS)
Bundesgesetz über Natur- und Heimatschutz (NHG)
Bundesamt für Raumentwicklung (ARE): Bericht „ISOS und Verdichtung“

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Kommentare (1) anzeigenausblenden 

0 #Veronika Egli2018-12-03 21:30
Wir hatten uns so sehr, auch mit viel Geld und Herzblut für das geschützte Dorfbild von Oberschan 9479 engagiert - leider bekamen wir nicht einmal vom Heimatschutz Unterstützung, und die Denkmalpflege hatte auch kein Rückgrat. Einst war vom Kanton SG Herr Beinder zuständig, er unterstützte unser Engagement. Aber sein Nachfolger war eher ein Schilfrohr und keine klare Linie. Nun sind wir 68 und 75 und mögen nicht mehr. Das Dorfs hat zuviel von seinem Reiz verloren und verliert jährlich mehr, kürzlich auch auf dem Büehl. Wir engagieren uns nur noch für unser eignenes denkmalgechkütztes Haus, haben diesen Herbst den alten gewölbten Keller renoviert, alles mit Naturmaterialien. Einige 1000 Fr. investiert in Schönheit. Veronika Egli-Steinegger, Dorfstr. 91, 9479 Oberschan.
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