Agrarpolitik 2022+ wurde auf Eis gelegt

Dürfen die Landwirte nun munter weiter spritzen? Dürfen die Landwirte nun munter weiter spritzen?

Nach dem Ständerat sistiert auch der Nationalrat die Agrarpolitik 22+. Zeit für das Stimmvolk, dem Bund ein klares Zeichen zu setzen.

Sehr knapp — mit 100 zu 95 Stimmen bei einer Enthaltung — sprach sich die grosse Kammer letzte Woche dafür aus, die Agrarpolitik (AP22+) zu sistieren. Der Nationalrat folgt damit dem Ständerat und der Wirtschaftskommission, die sich bereits im vergangenen Dezember dafür ausgesprochen haben, die Agrarreform anzuhalten. Nachdem nun beide Kammern das Geschäft sistiert haben, dürfte die AP22+ erst Jahre später umgesetzt werden als geplant — der Bund schätzt Anfang 2025. Die Umwelt kann aber nicht so lange warten.


Bauernlobby stellt sich quer

Mit der AP22+ sollte auch die Schweizer Landwirtschaft in die Klimapolitik einbezogen werden. Die Landwirte sollten damit auf mehr Tier- und Gewässerschutz setzen und den Ausstoss von Treibhausgasen reduzieren. Zudem sollten auf Bauernbetrieben mitarbeitende Ehefrauen und -männer besser sozial abgesichert und mit Bestimmungen zu Pestiziden und Düngern die Anliegen der Trinkwasser- und der Pestizidverbotsinitiative aufgenommen werden.
All das sei nicht nötig, sagt Jakob Lütolf, Bauer und Vorstandsmitglied des Schweizer Bauernverbands (SBV). Die Landwirtschaft tue im Vergleich zu früher bereits genug für den Umweltschutz. Der Bauernverband war es denn auch, der die Reform blockierte.


Böden überdüngt, Pestizide im Trinkwasser

Dem widerspricht allerdings Andreas Bosshard, Geschäftsführer der Denkfabrik Vision Landwirtschaft und selber Bauer: Alle Zahlen würden zeigen, dass die Agrarpolitik punkto Umwelt nicht mehr weiterkomme. Mit der AP22+ hätte man das anpacken können. Doch das werde nun auf die lange Bank geschoben.
Tatsächlich sprechen die Zahlen klar und deutlich. In einem Faktenblatt berichtete das Forum Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) bereits im vergangenen Jahr, dass in der Schweiz nach wie vor zu viel Stickstoff und Phosphor in die Umwelt gelangen. Besonders für Stickstoff seien vielerorts die kritischen Belastungsgrenzen deutlich überschritten: So gelange im schweizweiten Durchschnitt 3- bis 30-mal mehr Stickstoff in den Boden als unter natürlichen Bedingungen. Dabei stammen 70% der stickstoffhaltigen Luftschadstoffe aus der Landwirtschaft, die durch Futter- und Düngemittelimporte sowie Ammoniak-Emissionen aus der Tierhaltung den natürlichen Nährstoffhaushalt in der Schweiz aus dem Gleichgewicht bringen.
Dazu kommt der übermässige Einsatz von Pestiziden: Fast 2’000 Tonnen Fungizide, Herbizide und Insektizide werden jedes Jahr über die Felder in der Schweiz gespritzt, die spätestens während des nächsten Regens in den Boden sickern, ins Grundwasser gelangen können oder in einem Bach in grössere Gewässer geschwemmt werden. In den Wasserproben von untersuchten Bächen wurden mehrfach über 100 verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen. Diese setzen nicht nur den Wasserlebensräumen zu, sondern auch unserer Gesundheit, denn über das Trinkwasser und die Nahrung gelangen die giftigen Substanzen verschiedentlich auch auf unseren Tisch.


Wie geht es weiter?

Der Bundesrat muss nun in einem Bericht nachbessern, bevor eine Diskussion über gesetzliche Grundlagen zur künftigen Ausrichtung der Agrarpolitik stattfinden kann. Dieser Bericht soll sich mit der Selbstversorgung, der nachhaltigen Lebensmittelproduktion und der Reduktion des administrativen Aufwandes für Betriebe befassen. Bis 2022 soll dieser vorliegen.
In der Zwischenzeit darf aber das Volk ihr letztes Wort äussern, nämlich am 13. Juni mit den Trinkwasser- und Pestizidinitiativen. Erstere will den Landwirten die Subventionen streichen, wenn sie Pestizide verwenden oder Futtermittel zukaufen. Die Pestizidinitiative wiederum will synthetische Pestizide komplett verbieten. Mit diesen Initiativen kann ein wichtiges Zeichen gesetzt werden, welches den zuständigen politischen Kräften signalisiert, dass sich die Landwirtschaft die Rücksicht auf die Umwelt noch einmal verstärkt auf die Fahnen schreiben muss. In einer direkten Antwort haben sich deshalb jetzt auch die grossen Umwelt- und Naturschutzorganisationen der Schweiz zur Kampagne „2x JA“ zusammengetan, um den Initiativen im Abstimmungskampf Nachdruck zu verleihen.

 

Quellen und weitere Informationen:
SDA-Medienmitteilung (16.03.2021)
Bundesrat: Agrarpolitik 22+
SCNAT: Faktenblatt
SRF: Der Schweizer Landwirtschaft droht der ökologische Stillstand
2xJA

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