Das Weltwirtschaftsforum oder World Economic Forum (WEF) fand heuer vom 16. bis 20. Januar unter dem Motto «Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt» statt. Es war bereits die 53. Ausgabe dieses internationalen Anlasses. Über 2700 Personen aus 130 Ländern reisten dafür nach Davos an, darunter 52 Staats- oder Regierungschefs – ein neuer Rekord. Grosse Namen waren in diesem Jahr UNO-Generalsekretär António Guterres, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen oder auch Olena Selenska, die Ehefrau des ukrainischen Präsidenten.
Vielseitige Gesprächsthemen
Obwohl es beim WEF vordergründig um Wirtschaftsinteressen geht, lassen sich globale Probleme auch bei einem solchen Anlass nicht wegdiskutieren. So wurde neben geopolitischen Konflikten wie dem Ukraine-Krieg auch über die Energie- und Nahrungsmittelkrise, den Naturschutz sowie den Klimawandel beratschlagt. Um die internationalen Klimaziele zu erreichen und grosse Schritte in Richtung der Dekarbonisierung vorzunehmen, müssen die Staaten zusammenarbeiten – dies wird nun vermehrt wahrgenommen. Zur Vorbereitung dieser Zusammenarbeit gibt es (einmal abgesehen von der jährlich stattfindenden UN-Klimakonferenz) kaum einen besseren Ort als das WEF mit seinen vielen internationalen Teilnehmern.
Wahrscheinlich ist da der regelmässige Druck von aussen zusätzliche Motivation. Seit Jahren wird das WEF nämlich von Klimademonstrationen begleitet. Auch im Vorfeld des diesjährigen Treffens haben sich in Davos 300 Menschen zu diesem Grund versammelt. Unter anderem wird den Reichen und Mächtigen angekreidet, dass sie über die wichtigen gesellschaftspolitischen und ökonomischen Themen diskutieren und Ungleichheit und Klimaschutz bemängeln, ohne selber zu handeln. So ganz gehaltlos ist das nicht. Jeder zehnte WEF-Teilnehmer reist schliesslich mit dem Privatjet an.
Klimaaktivismus vs. Wirtschaftswachstum
Trotzdem zeigt das Treffen Perspektiven auf. Gerade prominente Gesichter der Klimabewegung wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer suchen immer wieder das Gespräch mit einflussreichen Unternehmern und Politikern am WEF; in diesem Jahr mit dem Geschäftsführer der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol. Für sie ist klar, dass die Wirtschaft mächtig genug ist, um Veränderungen im Klimaschutz herbeizuführen anstatt ausschliesslich den Profit vor Augen zu haben. Obwohl die Folgen für das Klima mittlerweile mehr als bekannt sind, wird weiterhin oft auf fossile Energien gesetzt. Die Klimaaktivisten fordern, dass keine neuen Öl-, Gas- und Kohleförderstätten mehr erschlossen werden sollen. Birol selber räumte ein, dass in der Folge von Pandemie, Krieg und Inflation das Interesse von Politik und Wirtschaft an Klimaangelegenheiten nachgelassen habe. Dabei sei die Energieversorgung zu 80% für die klimaschädlichen Treibhausgase verantwortlich. Das Kapital, um vermehrt in erneuerbare Energien zu investieren, sei aber durchaus vorhanden.
Gemäss dem Credo des diesjährigen WEF wird klar, dass Herausforderungen gemeinsam angegangen werden müssen, gerade auch bei der Wende hin zu sauberen Energien. Im Moment geht es da zwar noch oft mehr um die Energiesicherheit denn um Umweltbedenken. Regierungsmitglieder wie Olaf Scholz haben während dem WEF aber betont, dass dringende Massnahmen nötig seien, um Klimakrise und Naturverlust erfolgreich entgegentreten zu können. Auch Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire schlägt vor, das Wirtschaftswachstum Arm in Arm mit der Dekarbonisierung zu führen. Denn es gelte für alle Nationen: «Klima zuerst».
Erneuerbare Energien im Aufwind
Es gibt deutliche Anzeichen, dass die Energiewende vermehrt angestrebt wird. Im August 2022 beispielsweise war unter Präsident Joe Biden mit der Aufnahme des Inflation Reduction Act (IRA) in das amerikanische Gesetz ein Meilenstein geschafft. Rund 391 Milliarden Dollar sollen in erneuerbare Energien und den Kampf gegen den Klimawandel investiert werden. Bis dato ist dies die grösste Investition der USA in diesem Sektor. Der Act bietet Anreize, Subventionen und Darlehen zum Ausbau sauberer Energien an. Auch europäische Industrieunternehmen überlegen sich daher, ob eine US-Niederlassung in Frage kommen könnte. Dies zeigt beispielhaft, wie Ökonomie und Klimawandel in Bezug zueinander stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Damit Europa wirtschaftlich nicht hinterherhinkt, muss nachgezogen werden – es gibt etwa Pläne für ein Klimainvestitionsgesetz.
Es gibt allerdings noch viel zu tun. Untersuchungen des Zürcher Unternehmens South Pole zeigen, dass sich weniger als 6% der 54'000 überwachten globalen Unternehmen die Klimaneutralität überhaupt zum Ziel setzen. Das sind einige mehr als in den Vorjahren, aber noch nicht genügend, um von einer substanziellen Trendwende zu sprechen.
Zuhören als Teil der Lösung
Oft wird dem WEF vorgeworfen, dass die Wirtschaft an oberster Stelle stehe, und denjenigen, die am meisten am veränderten Klima leiden, nicht zugehört werde. Helena Gualinga, Mitbegründerin des Indigenous Youth Collective of Amazon Defenders, hat am WEF über die Rechte der Ureinwohner gesprochen. Obwohl Indigene Völker nur knapp 5% der Menschheit ausmachen, schützen sie geschätzte 80% der globalen Biodiversität. Damit ein Projekt zum Erhalt von Ökosystemen eine gute Grundlage vorfindet, müssen die Stimmen von Ureinwohnern also angehört und ihre Entscheidungsprozesse respektiert werden. Ausserdem sollen sie konsultiert werden, bevor Beschlüsse gefasst werden.
Es gibt klare Verbesserungen an der Klimafront, aber viele Probleme sind auch noch ungelöst und gerade die grossen Player und Konzerne müssen wohl mit zusätzlichen Anreizen auf grünere Pfade gelockt werden.
Quellen und weitere Informationen:
World Economic Forum: Davos 23: Why indigenous knowledge is critical to credible action on nature
NZZ: Greta Thunberg, Luisa Neubauer und Co. lesen am WEF der Energiewirtschaft die Leviten
Swiss Info: WEF by the numbers: highlights and horrors
South Pole: Immer mehr Unternehmen verpflichten sich zu Netto-Null-Zielen..
Kommentare (0) anzeigenausblenden