In modernen Konsumgesellschafen wird man von Werbebotschaften geradezu überflutet. Wo Medien- und Kommunikationswissenschaftler noch vor wenigen Jahren von einigen Hundert täglich pro Person wahrgenommenen Werbesendungen ausgegangen sind - wie bewusst oder unbewusst die Rezeption im Einzelfall auch immer geschehen mag -, da gehen aktuelle Schätzungen bereits von einigen Tausend solcher Botschaften aus, die tagtäglich auf uns einwirken. Begreift man die Werbung als Urform menschlicher Kommunikation, verwundern die hohen Zahlen nicht gross. Denn es wird nicht nur um Produkte oder Dienstleistungen geworben, sondern auch um Aufmerksamkeit in sozialen Interaktionen, um Partner bei der Brautwerbung oder um Stimmen bei der Wahlwerbung. In einem weiter gefassten Sinne des Begriffs kann auch etwa das Balzverhalten von Tieren, die Federpracht von Pfauen, das Zirpen von Grillen und vieles mehr als (Um-)Werbung verstanden werden.
Weit verbreitet sind jedoch nicht nur Werbeverhalten und Werbekommunikation in einem allgemeinen Sinne, sondern auch die Wirtschaftswerbung im engeren, kapitalistischen Verständnis. Die Menschen gegenwärtiger Gesellschaften sind mit dem fortwährenden Einwirken unterschiedlichster Werbebotschaften gross geworden und wissen zumindest intuitiv, dass Werbung vornehmlich positive Botschaften verbreitet. Alles, was die Oberflächenattraktivität eines Produktes oder einer Dienstleistung einschränken und die Verkaufszahlen bremsen, statt ankurbeln könnte, wird weggelassen. Die Werbung vermittelt eine rein positive Klischeewelt, sie spielt mit Hoffnungen, Wünschen und Idealen der Menschen und blendet die Ängste, Bedenken und Schattenseiten entsprechender Angebote ganz einfach aus.
Das selektive Propagieren positiver Eigenschaften, das Schönreden und die Realitätsverzerrung werden allerdings von rechtsstaatlichen Verordnungen flankiert. In der Schweiz sind beispielsweise Zigarettenwerbungen stark eingeschränkt. Auch bei alkoholischen Getränken gelten vergleichsweise strenge Vorschriften. Noch weniger reguliert ist der Werbemarkt bei den Lebensmitteln, obwohl gerade in diesem Segment eine Tendenz zu irreführenden Botschaften festzustellen ist. Werbeaussagen wie „Stärkt das Immunsystem!“ oder „Gut für die Verdauung!“ werden allzu oft aus reinem Absatzinteresse und ohne jegliche ernährungswissenschaftliche Evidenz auf den Verpackungen und Werbeträgern angebracht.
Konkret stehen etwa die Verpackung der Becel „pro activ“-Margarine in der Kritik, auf der „Senkt aktiv den Cholesterinspiegel“ aufgedruckt ist, oder die „Nimm2“-Bonbons des Herstellers Storck, die Kindern vorgaukeln, sie sollen „wertvolle Vitamine“ durch süsse Bonbons, statt durch Früchte oder Gemüse, aufnehmen. Viele andere zweifelhafte Beispiele wie die angeblich leichte „Milchschnitte“, der „Nutella“-Brotaufstrich, der als gesund und nahrhaft dargestellt wird, oder die „Actimel“-Joghurtdrinks, die vor Erkältungen schützen sollen, lassen sich schnell finden.
In letzter Zeit werden vermehrt Stimmen nach zusätzlichen Einschränkungen der Werbung laut. Immer mehr Verbraucher wollen sich die übertriebenen, einseitigen oder schlichtweg falschen Informationen von der Werbung nicht mehr gefallen lassen. In der Schweiz gilt schon heute das sogenannte Täuschungsverbot, das allerdings nach wie vor einen grossen Spielraum für Auslegungen offenlässt. Das gilt insbesondere für bildliche Darstellungen, denen kaum Grenzen gesetzt sind. Bis sich bessere gesetzliche Regulierungen durchsetzen, muss an die Kritik- und Urteilsfähigkeit der Konsumenten appelliert werden, auf dass sie sich nicht von der Werbung an der Nase herumführen lassen.
Kommentare (0) anzeigenausblenden