Der Schweizer Markt wird von Milch überschwemmt. Die jährlich produzierte Milchmenge entspricht fast einer halben Tonne pro Einwohner und dies, obwohl der Milchkonsum in der Schweiz – trozt sinkendem Milchpreis – seit 1980 abnimmt. Der Milchüberschuss sorgt für so tiefe Preise, dass kaum ein Milchbetrieb seine Ausgaben decken kann. Damit die Milch an Wert gewinnt, muss das Angebot sinken. Tatsächlich haben gemäss Bundesamt für Statistik zwischen 2000 und 2011 rund 30 Prozent der Milchbauern ihre Tätigkeit aufgegeben. Weil die verbleibenden Betriebe ihre Produktivität kontinuierlich steigern, ist die Menge der produzierten Milch dennoch nicht zurückgegangen. Durch grössere Betriebe, Haltungsoptimierungen und Zuchtfortschritte wurde die Milchleistung pro Kuh in den letzten Jahren stark erhöht. Während eine Kuh in den 90er Jahren noch rund 5000 Liter Milch pro Jahr produzierte, sind es gegenwärtig nahezu 7000 Liter; das sind umgerechnet rund 23 Liter Milch pro Tag.
Werner Locher, Sekretär der Bauernorganisation BIG-M (Bäuerliche Interessengruppe für Marktkampf), sieht dieser Entwicklung sorgenvoll entgegen.
«Wer fünfzig Kühe hat, sollte davon leben können und auch noch etwas zum Investieren übrig haben», betont er. Locher hat viele Betriebe in den verschiedensten Ländern gesehen. Etwas sei überall gleich: «Mehr als fünfzig Kühe kann eine Person nicht gewissenhaft betreuen. Auf einem ostdeutschen Milchbetrieb mit tausend Kühen arbeiten einfach zwanzig Ukrainer.»
Die Leistungssteigerung der Milchkühe bringt einer erhöhte Krankheitsanfälligkeit der Tiere mit sich.
Gemäss der Organisation Tier im Fokus hat die Steigerung der Milchleistung auch schwerwiegende gesundheitliche Folgen für die Tiere. Offenbar hat in den letzten 40 Jahren die Zahl an Klauen- und Gelenkschäden um rund 300 Prozent und diejenige von Eutererkrankungen sogar um 600 Prozent zugenommen. Ökologisch bedenklich ist auch der zunehmende Import von Kraftfutter, insbesondere von Soja und Getreide aus Entwicklungs- und Schwellenländern.
Seit Jahren wird über politische Massnahmen diskutiert, um den Michüberschuss einzuschränken. Geschehen ist bisher aber wenig, die Uneinigkeit ist gross. Einige sind der Meinung, die Bauern sollen sich anpassen und die Effizienz steigern. Auch Grossunternehmen profitieren vom tiefen Milchpreis, denn so können sie in der Schweiz günstig Milchpulver für den Export herstellen. Locher und die BIG-M-Mitgliedern hingegen wünschen sich eine «marktgerechte Mengensteuerung», dh. eine Monitoringstelle die den Markt beobachtet und die Milchmenge laufend so definiert, dass sie der Nachfrage entspricht. So könnten Überschüsse vermieden werden und die Landwirte würden evtl. vermehrt auf den Pflanzenbau umstellen. Obwohl geeignete Flächen existieren, die früher dem Ackerbau dienten, wechselten zwischen 2000 und 2011 nur gerade 1 Prozent der Milchbauern auf den Pflanzenbau – die billige Konkurrenz aus dem Ausland ist zu gross.
Weiterführende Links:
Bundesamt für Statistik: Vom Gras zur Milch.
Interessante Informationen rund um die Milch: www.tier-im-fokus.ch/info-material/info-dossiers/milch/
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