Auf den 1. April 2013 wird die revidierte Störfallverordnung in Kraft gesetzt. Während bis anhin nur potentiell gefährliche Betriebe und bestimmte Verkehrswege (Strasse, Schiene, Rhein) von der Verordnung betroffen waren, unterliegen ihr neu auch Erdgashochdruck- und Erdölleitungen. Einerseits besteht das Risiko, dass Brenn- und Treibstoffe aus den insgesamt 200 km langen Erdölleitungen auslaufen und Grund- und Oberflächenwasser verunreinigen. Andererseits können die Erdgashochdruckleitungen, die sich schweizweit auf eine Länge von rund 2'200 km erstrecken, gefährliche Wärmestrahlungen verursachen. Diese entstehen, wenn Gas aus einer beschädigten Leitung entweicht und sich entzündet. Besonders dicht besiedelte Gebiete sind gefährdet. Mit der revidierten Verordnung sollen diese Risiken umfassend evaluiert, geprüft und bis spätestens 2018 „mit gezielten Massnahmen reduziert“ werden (vgl. Medienmitteilung Bundesrat). Konkret müssen die Inhaber der Leitungen eigenständig entsprechende Sicherheitsmassnahmen einleiten, welche von der Vollzugsbehörde geprüft werden (siehe Beurteilungskriterien BAFU). (Noch) nicht betroffen sind die stark verzweigten Netze der kommunalen Erdgasleitungen, obwohl sich daraus häufig Gas verflüchtigt und zu Schäden an Boden und Pflanzen führt.
Im Rahmen der Revision soll auch die Koordination von Raumplanung und Umweltschutz verbessert werden. Durch die wachsenden Siedlungsgebiete steigt das Risiko von Störfällen durch Betriebe, Verkehrswege und Rohrleitungen. Nur durch eine gezielte Zusammenarbeit mit der Raumplanung könne dieses Gefahrenpotenzial stabilisiert werden, so der Bund. Der Koordinationsartikel gehe jedoch zu wenig weit, kritisieren Umweltverbände. Er bezieht sich nur auf Ein- und Umzonungen und klammert damit bestehende Bauten, die sich in der Nähe von Störfallanlagen befinden, aus. Beispielsweise gibt es ausgerechnet in der Region Basel, einer der am dichtesten besiedelten Gegenden der Schweiz, überdurchschnittlich viele Unternehmen mit einem Störfallrisiko.
Verschiedene Ereignisse in der Vergangenheit haben deutlich gemacht, dass die Raumentwicklung mit einer regionalen Sicherheitsplanung Hand in Hand gehen muss.
Rolf Klaus, Sicherheitsinspektor Kanton Basel-Landschaft.
Bezeichnenderweise beruht die Schweizer Störfallverordnung sogar auf einem Unfall in dieser Region. Im Jahr 1986 ging in Schweizerhalle bei Basel ein Lagerhaus der Firma Sandoz in Flammen auf. In der Halle waren rund 1'350 Tonnen hochgiftige Chemikalien, darunter Insektizide, Herbizide und Quecksilberverbindungen, gelagert. Obwohl starker Rauch und Gestank austraten, blieben erhebliche Gesundheitsschäden in der Bevölkerung glücklicherweise aus. Jedoch starben im Rhein unzählige Fische am verseuchten Löschwasser. Auf einer Länge von 400km wurde beispielsweise die gesamte Aalpopulation ausgelöscht. Infolge dieses Unfalls trat 1991 die Störfallverordnung in Kraft. Rolf Klaus, Sicherheitsinspektor Kanton Basel-Landschaft, betont, dass sich die Sicherheit in Chemiekonzernen seither erheblich verbessert hat. Leider geraten aber solche schreckliche Ereignisse schnell wieder in Vergessenheit. Damit besteht auch die Gefahr, dass das Risikobewusstsein in der Bevölkerung abnimmt. Umso wichtiger ist es deshalb, immer wieder an die Gefahrenpotentiale zu erinnern und die Sicherheitsvorkehrungen auszubauen. Gerade im Bereich der Verkehrswege und Leitungen sei man heute noch nicht sehr weit, meint Klaus. Womöglich, weil es bisher – zumindest in der Schweiz – selten zu grossen Unfällen gekommen ist.
Weiterführende Informationen:
Medienmitteilung Bund, 13. Februar 2013.
Revidierte Störfallverordnung.
Störfallverordung: Ergebnisse der Anhörung.
Webseite Bundesamt für Umwelt zum Thema Störfallvorsorge.
Kommentare (0) anzeigenausblenden