Buch "Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen"

Anhand zweier ungleicher Charaktere disputiert John Ironmonger in seinem Roman den Klimawandel. Das erwächst ihm zu einer empathischen Perspektive auf unsere ganze natürliche Mitwelt.

Buch "Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen"

Auf die Frage, wie der Klimawandel literarisch zu verarbeiten wäre, sind indessen schon so einige Antworten gefunden worden. Darunter zunehmend gute: Vom Thriller über das Nature Writing bis zur Familiengeschichte sind uns in den letzten Jahren mancherlei Romane begegnet, die sich der Jahrhundert-Herausforderung aus ganz unterschiedlichen, wertvollen Blickwinkeln näherten. In diese Reihe ordnet sich nun John Ironmongers neuer Roman nahtlos ein – was niemanden besonders verwundern wird, der schon mit einer seiner früheren Erzählungen bekannt ist. Der britische Autor versteht es zu berühren, ohne die Mittel der Melodramatik oder der Sentimentalität auch nur zu streifen. Und er versteht es, seine Anliegen zu vermitteln, ohne jemals den Anschein zu wecken, im Besitz unwiderstehlicher Wahrheiten zu sein.

John Ironmonger erzählt seine Geschichte aus der Zukunft, zurückblickend ins Jetzt. In einer kleinen Ortschaft in Cornwall, irgendwann in der Gegenwart, geraten zwei Männer aneinander: Der eine ein junger Umweltaktivist, der andere ein zwanzig Jahre älterer Politiker und Klimaleugner. Die Auseinandersetzung – bereits am Tag danach als virales Video im Netz – mündet in eine auf fünfzig Jahre angelegten Wette, die einen der beiden das Leben kosten soll. Über diese fünfzig Jahre (und ein bisschen darüber hinaus) verfolgt der Roman nun die Wege dieser beiden Kontrahenten im Schlaglicht ihrer späteren Begegnungen, die ein ums andere Mal tiefe Spuren in ihre Biografien graben. John Ironmonger heftet sich dabei hart an die beiden Protagonisten und ihre Dispute, ohne es darüber zum Kammerspiel geraten zu lassen. Die grosse Welt und all die weiteren Kräfte, die an ihnen zerren, bleiben durchwegs sichtbar, während in den erschütternden Aufeinandertreffen des Politikers und des Naturschützers, der Politik des Machbaren versus der dringlichen Vision, wichtige Argumente verhandelt werden. Die eigentliche Heldin der Geschichte wird schliesslich doch eine ganz andere sein.

Obwohl des Autors Liebe zur Natur durchwegs hervorglimmt, kann man gewiss nicht sagen, dass er es sich betreffs der Debatte um den Klimawandel leicht macht. Keinem seiner beiden Protagonisten verhilft er aufs hohe moralische Ross. Ihre Standpunkte und Motive bleiben beidseits verständlich, und wer sich – wie wir natürlich – zu Anfang noch auf Seiten des Klimaaktivisten schlägt, wird nicht umhin können, auch dem Politiker wachsenden Respekt zu zollen. Doch neben dieser Annäherung – die im Übrigen ganz und gar John Ironmongers Anliegen spiegelt – vollbringt er noch etwas anderes. Organisch aus seiner Erzählung erwachsend unterstützt er einen Wechsel der Perspektive: Hinaus aus der kleinen, persönlichen Welt ins grosse Ganze, von der treibenden Eisscholle aufs zeitlose Meer. Er setzt uns, die Menschheit, an ihren gebührenden Ort und macht Mut, diesen allem Leben heimisch zu gestalten. Aus unserer Empathie für zwei ungleiche Charaktere wächst Empathie für die ganze natürliche Welt.

 Autor John Ironmonger
 Verlag S. Fischer
 Umfang 410 Seiten
 ISBN 978-3-10-397503-1
 Preis Fr. 34.80 (UVP)