Was sagen Experten über die aktuelle Hochwassersituation?

Wie sieht es bei der aktuellen Hochwassersituation aus? Wie kann vorausschauend etwas für den Hochwasserschutz getan werden? Forschende des UFZ geben Auskunft.

Was sagen Experten über die aktuelle Hochwassersituation?
Bodenerosion durch starke Niederschläge sorgt für Abtragung von fruchtbarem Boden in die Flüsse (Wolfgang Hasselmann, Unsplash)

In vielen Ländern Westeuropas herrschen Unwetter und Überschwemmungen. Stark betroffen sind unter anderem Grossbritannien, Frankreich und Deutschland. Expertinnen und Experten des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) beantworten einige Fragen um die aktuelle Hochwassersituation in Deutschland:

Der Zustand des Bodens

Vielerorts dringt das Wasser tief in den Boden ein. In Niedersachsen beispielsweise sind die Böden bis in einer Tiefe von zwei Metern nass. In dem Bundesland war es zuvor fünf Jahre lang zu trocken – nun sind die Böden mit Wasser überstaut. Das bedeutet, dass die sogenannte nutzbare Feldkapazität – Kapazität der Wassersättigung eines Bodens – aktuell bei über 100 Prozent liegt. Das Niederschlagswasser kann nicht mehr versickern, weshalb es direkt in Flüsse und Gräben fliesst. Dadurch verschlimmert sich die Hochwassersituation weiter.
Neben der Bodenfeuchte sorgt die Bodenerosion für weitere Probleme. Die fruchtbaren landwirtschaftlichen Flächen werden vom Wasser abgetragen und färben die Flüsse braun. In Wäldern sorgt die Bodennässe für eine geringere Stabilität der Pflanzen resp. ihrer Wurzeln. Bei Stürmen fallen Bäume so schneller um.

Entlastung durch erwarteten Wintereinbruch?

Die Forschenden meinen, sollten die bevorstehenden Niederschläge als Schnee fallen, so könnte dies die Hochwasserlage entschärfen. Ausschlaggebend werden jedoch die Länge der Kälteperiode und die darauffolgende Niederschlagsmenge sein. Eine Schneedecke würde die Niederschläge speichern und damit nicht zum sofortigen Anstieg der Flüsse führen. Käme es anschliessend aber zu einem «Regen-auf-Schnee-Ereignis», könnte dies rasch wieder zu einer sehr kritischen Hochwassersituation führen. Dennoch könnten gefrorene Böden zur Stabilität von Deichen beitragen, insofern es nicht zu sehr kalten Temperaturen kommt. Diese würden die Hochwasserschutzarbeiten nämlich erschweren.

Vorausschauender Hochwasserschutz

Aufgrund des Klimawandels wird damit gerechnet, dass Hochwasserereignisse künftig zunehmen werden. Auch in Flussgebieten, die bisher – zumindest grösstenteils – von Hochwässern verschont blieben, können sie nicht mehr ausgeschlossen werden. Zudem meinen die Experten, dass sich Hochwässer in Zukunft in Geschwindigkeit, Dauer und Höhe des Wasseranstiegs von vergangenen Ereignissen erheblich unterscheiden werden. Deshalb werden Erfahrungswerte nicht mehr immer ausreichen, um gut auf zukünftige Hochwassersituationen vorbereitet zu sein.
Infolge des Verlustes von über zwei Drittel der natürlichen Retentionsräume – eine Fläche, die bei Hochwasser eines Flusses überflutet wird und damit einen starken Anstieg des Wassers verhindert – sind insbesondere als geeignet erfasste Räume für einen naturnahen Hochwasserschutz zu nutzen. Der Schutz und damit auch die Verbesserung der ökologischen Situation von Flussauen und Überflutungsflächen sind erforderlich. Einige Studien zeigen, dass solche Massnahmen der schonenden und effizienten Nutzung von Retentionsräumen gravierend an der Absenkung von Hochwassern an den grossen Flüssen mitwirken.Ausserdem sollte der Hochwasserschutz im Bereich der Landwirtschaft reflektiert werden: Beispielsweise die Trockenlegung von Mooren und Feldern führt bei Niederschlag zu einem schnellen Abfliessen in die Gewässer. Hinzu kommt die Kanalisierung sowie die Begradigung von Flüssen und Bächen, die zum Problem beiträgt.