Tohuwabohu durch kleine Eindringlinge

Welche langfristigen ökologischen Folgen eine invasive Spezies mit sich bringt, ist bemerkenswert. Selbst die kleinsten Eindringlinge sorgen für eine veränderte Lebensweise der grössten Ortsansässigen.

Tohuwabohu durch kleine Eindringlinge
Löwen erwischen weniger Zebras und jagen deshalb vermehrt Büffel (Jeff Lemond, Unsplash)

Nicht nur durch Umweltverschmutzung und Klimawandel werden Ökosysteme verändert und gefährdet. Auch ortsfremde, durch Menschen eingeschmuggelte Arten können das Leben vor Ort stärker verändern, als man annehmen möchte.
Ein internationales Forschungsteam um Douglas Kamaru von der University of Wyoming untersuchten, wie sich solche invasive Spezies auf Kosten der einheimischen Arten verbreiten. Dafür fanden die Forschenden in den ostafrikanischen Savannen ein anschauliches Beispiel.

Der Anfang einer Kettenreaktion

Schon seit Urzeiten gewähren Akazienbäume der Art Vachellia drepanolobium (Flötenakazie) einheimischen Ameisenarten einen Lebensraum. Der Baum bietet ihnen in den Hohlräumen der verdickten Dornen einen Nistplatz und zugleich eine Nahrungsquelle durch den Nektar. Als Gegenleistung verteidigen die Akazien-Ameisen ihren Heimatbaum gegen Pflanzenfresser wie Elefanten und Giraffen: Dafür versprühen sie mit ihren Beisszangen Ameisensäure auf die Rüssel und Lippen der Angreifer. Dadurch bewahren sie die Bäume äusserst effektiv vor einem kompletten Kahlfressen – wie frühere Untersuchungen zeigten. Damit nehmen die Akazien-Ameisen eine wichtige Rolle für die Savannenvegetation in Ostafrika ein.

Seit gut 15 Jahren müssen die heimischen Ameisen jedoch gegen die exotische Dickkopfameise (Pheidole megacephala) ankämpfen. Diese Ameise wurde vermutlich von einer Insel im Indischen Ozean eingeschleppt. Sie ist der Grund, weshalb mehr und mehr Akazien ihre «Verteidigungsarmee» verlieren: Die Dickkopfameise verdrängt die Akazien-Ameisen und nimmt ihre Heimatsbäume ein – jedoch ohne sie im Gegenzug vor den Pflanzenfressern zu verteidigen. Mittels umfangreicher Untersuchungen wollten die Forschenden klären, welche direkten und indirekten Folgen dies für das Ökosystem hat:
Die Beobachtungen ergaben, dass dort, wo die heimischen Arten verdrängt wurden, Akazienbäume nun fünf bis siebenmal intensiver von Elefanten als Nahrungsquelle genutzt werden. Das führt zum deutlichen Rückgang dieser Bäume. (Die eingeschleppte Dickkopfameise breitet sich danach auch auf dem offenen Land aus.) Infolgedessen vermuteten die Wissenschaftler, dass der Wandel auch Auswirkungen auf andere Tiere – etwa den Löwen – haben könnte: Die Raubkatze nutzt nämlich Akazienbäume für Überraschungsangriffe auf ihre Hauptbeute – die Zebras.

Wie ein Winzling die Speisekarte eines Grossen beeinflusst

Um ein solches Räuber-Beute-Verhältnis zu belegen, sammelten die Forschenden über einige Jahre verschiedenste Daten – mittels Kamerafallen, Satellitenbeobachtungen sowie an den Löwen angebrachten Sendern. Die Daten zeigten die Aktivität von Löwen und Zebras in den von Dickkopfameisen bewohnten sowie den noch unberührten Gebieten.
Das Ergebnis: Das Team berichtet, dass die Zahl der erbeuteten Zebras in befallenen Gebieten etwa dreimal niedriger sei als in nicht befallenen. Die invasive Ameise hätte demnach eine ökologische Kettenreaktion ausgelöst.

Diese Ameisen tauchten vor etwa 15 Jahren zunächst kaum beachtet auf, weil sie gegenüber großen Lebewesen, einschließlich Menschen, nicht aggressiv sind. Doch jetzt sehen wir, dass sie die Landschaft verändern – mit weitreichenden Folgen
– Co-Autor Todd Palmer, University of Florida

Trotz der ökologischen Veränderung geht aus den Daten hervor, dass die Löwenbestände stabil geblieben sind. Das solle daran liegen, dass die Raubkatzen nun zunehmend Jagd auf Büffel machen. Diese Jagd sei zwar anspruchsvoller, trotzdem konnten sich die Löwen bislang anpassen. Dennoch bleibt unklar, ob die Löwenpopulation durch diese Verhaltensanpassung dauerhaft stabil bleiben, wenn ihr Lebensraum immer stärker von der Ameise beeinflusst wird.